Wer sich berufsbedingt regelmäßig auf Baustellen aufhält, ist der Gefahr von Kopfverletzungen ausgesetzt. Oft entstehen daraus zwar nur kleinere Beulen, aber manchmal kann es auch zu schwerwiegenderen Verletzungen kommen. Stöße gegen den Kopf, herabfallende Gegenstände, Ausrutschen, Stolpern und Stürze – all das stellt ein Risiko dar, weshalb Arbeitende unbedingt einen Helm tragen sollten, um für angemessene Sicherheit zu sorgen. Das Risiko schwerer Kopfverletzungen lässt sich verringern, indem die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.
In der schnelllebigen Baubranche steht Sicherheit an erster Stelle. Trotz technologischer Fortschritte und einzuhaltender Arbeitsschutzmaßnahmen treten Unfälle nach wie vor häufig auf. Kopfverletzungen fallen insbesondere deshalb besonders schwer ins Gewicht, weil sie Langzeitschäden verursachen oder sogar bis zum Tod führen können.
In diesem Artikel werden Unfälle am Arbeitsplatz, verschiedene Arten von Kopfverletzungen und deren konkrete Folgen im Alltag erörtert. Dies wird durch statistische Daten belegt und unterstreicht, wie wichtig die Sicherheit durch Schutzhelme und persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist.
Was ist eine Kopfverletzung?
Kopfverletzung ist ein weit gefasster Begriff, der eine Vielzahl von Verletzungen beschreibt, die an Kopfhaut, Schädel, Gehirn und darunter liegendem Gewebe und den Blutgefäßen im Kopf auftreten. „Schädel-Hirn-Trauma“ (SHT) ist ein Oberbegriff für Verletzungen des Schädels und Gehirns, die durch Unfälle oder körperliche Gewalt verursacht werden.
Ein SHT kann durch einen Schlag auf den Kopf verursacht werden – oder auch durch einen Stoß gegen den Körper, bei dem Kopf und Gehirn Erschütterungen erfahren.
Das Schädel-Hirn-Trauma deckt eine große Bandbreite ab, wobei zu den häufigsten Arten ein leichtes SHT oder eine leichte Gehirnerschütterung zählen. Ein Stoß mit dem Kopf gegen eine Schranktür, ein Sturz oder eine Verletzung beim Sport können zu einem leichten SHT führen. Die häufigste Art eines SHT ist eine Gehirnerschütterung, die bis zu 75% aller SHT-Fälle ausmacht. (1) (2) Diese Verletzungen kommen weitaus häufiger vor, als man denkt. 50% der SHT werden nicht diagnostiziert oder erkannt, (1) (3) während bei 90% der diagnostizierten SHT kein Bewusstseinsverlust eintritt. (4)
Auch wenn aufgrund einer Gehirnerschütterung Schmerzen und einige neurologische Symptome auftreten können, zeigt ein Hirn-CT möglicherweise keine Befunde wie Blutungen, Blutergüsse oder Schwellungen. Menschen mit einem leichten SHT oder einer leichten Gehirnerschütterung fühlen sich in der Regel innerhalb weniger Wochen besser, in manchen Fällen sogar schon früher.
Ein mittelschweres oder schweres SHT zeigt sich jedoch auf einem Hirn-CT, in der Regel auf unterschiedliche Weise. Hämatome, insbesondere Epidural- oder Subduralhämatome, sind beispielsweise eine Art, wie sich ein SHT manifestieren kann. Ein mittelschweres oder schweres SHT kann auch Quetschungen, Blutergüsse im Hirngewebe oder akute Hirnblutungen umfassen. Ein SHT kann sich im Laufe der Zeit auch verschlimmern, weshalb es so wichtig ist, sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Manche Hämatome treten möglicherweise erst mehrere Tage oder sogar Wochen nach einer Kopfverletzung auf.
Es können zwar Maßnahmen zur Beurteilung möglicher Kopfverletzungen ergriffen werden, aber die Diagnose von Gehirnerschütterungen (insbesondere im nichtmedizinischen Bereich) ist bekanntermaßen schwierig. Nur entsprechend qualifizierte medizinische Fachkräfte können offiziell eine Gehirnerschütterung diagnostizieren.
Zu den häufigsten Unfällen am Arbeitsplatz gehören seitliche Schläge auf den Kopf, herabfallende Gegenstände, Ausrutschen, Stolpern oder Stürze. Dabei kann es sich auch um einen schrägen Aufprall handeln, der eine Rotationsbewegung erzeugt.
Das menschliche Gehirn ist faszinierend – aber auch empfindlich, besonders gegenüber Rotationsbewegungen. Rotationsbewegungen entstehen durch einen schrägen oder angewinkelten Kopfaufprall. Nahezu jeder Kopfaufprall erzeugt Rotationsbewegungen, die das Hirngewebe belasten können. Dies kann zu einer Gehirnerschütterung oder gar zu schwerwiegenderen Hirnverletzungen führen. Wenn Sie von einem herunterfallenden Gegenstand getroffen werden oder sich beim Ausrutschen, Stolpern oder Stürzen den Kopf anstoßen, geschieht das nicht immer in einer linearen/geradlinigen Bewegung. Ein solcher Aufprall kann auch schräg/angewinkelt erfolgen. Sobald Ihr Kopf von einem Gegenstand getroffen wird oder schräg auf den Boden aufschlägt, kann er dadurch in unterschiedlichem Maße in eine Rotation gezwungen werden. Wenn die dabei erzeugte Rotationsenergie auf das Gehirn übertragen wird, kann dies zu Verletzungen des Gehirngewebes oder der mit dem Gehirn verbundenen Blutgefäße führen.
Das Gehirn reagiert empfindlicher auf Rotationsbewegungen als auf lineare Bewegungen, weil das Gehirngewebe Scherkräften nicht so gut standhält wie linear einwirkenden Kräften. Wenn sich durch Rotationsbewegungen verschiedene Bereiche des Gehirns versetzt zueinander bewegen, kann das Gewebe gedehnt werden, was zu Gehirnerschütterungen oder anderen Hirnverletzungen führen kann. Der Großteil des Schädels ist mit dem Gehirn, das hauptsächlich aus Wasser besteht, und der Zerebrospinalflüssigkeit gefüllt. Wasser ist nicht komprimierbar, deshalb bewegt sich das Gehirn bei einem linearen Aufprall nur gering. Bei einem schrägen Aufprall kommt es jedoch meistens zu einer Rotationsbewegung des Kopfes, sodass sich das Gehirn im Schädel dreht. Dadurch können Blutgefäße einreißen und ein Schädel-Hirn-Trauma entstehen.
Konkrete Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas aufgrund eines Arbeitsunfalls
Die Folgen eines Arbeitsunfalls – insbesondere dann, wenn es zu einer Kopfverletzung kommt – gehen mitunter weit über die unmittelbaren körperlichen Schäden hinaus.
Körperliche Beeinträchtigung: Schwere Kopfverletzungen können zu Lähmungserscheinungen, zum Verlust von Sinnesfunktionen oder zu kognitiven Beeinträchtigungen führen. Ein mittelschweres und leichtes SHT kann zu einer kognitiven Langzeitstörung führen. Dies bedeutet unter Umständen eine notwendige medizinische Betreuung und Rehabilitationsmaßnahmen für den Rest des Lebens.
Psychisches und emotionales Trauma: Das aufgrund eines Unfalls erlebte Trauma kann zu posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Depressionen oder Angstzuständen führen, was sich auf die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit des Patienten oder der Patientin auswirkt.
Wirtschaftliche Folgen: Neben Arztrechnungen sehen sich Patienten und Patientinnnen möglicherweise auch mit dem Verlust ihres Einkommens aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit konfrontiert, und Unternehmen müssen eventuell mit einer strafrechtlichen Verfolgung und höheren Versicherungsprämien rechnen.
In einer Studie zu arbeitsbedingten Schädel-Hirn-Traumata (5) in der Baubranche in Schweden und Deutschland wurden öffentliche Daten zu Kopfverletzungen in der Baubranche von Arbeitsunfallversicherungen in Schweden und Deutschland aus den Jahren 2014–2018 ausgewertet.
Die Studie konzentriert sich auf die Leistungen der Arbeitsunfallversicherungen für SHT. Dabei wurde festgestellt, dass SHT 11–22% aller Kopfverletzungen und bis zu 61% bei schwerwiegenden Fällen ausmacht. Die Studie ergab eine Häufigkeit von 13 (Schweden) bzw. 117 (Deutschland) je 100.000 Vollzeitbeschäftigten im Vergleich zu 22–212 in nordamerikanischen Studien. Eine Einschränkung bei Studien, die sich auf Arbeitsunfallversicherungsansprüche stützen, besteht darin, dass sie die tatsächliche Belastung durch arbeitsbedingte Schädel-Hirn-Traumata unterschätzen. Die häufigsten Ereignisse mit SHT-Folge ließen sich in beiden Ländern auf Sturzunfälle zurückführen. Die Studie hebt hervor, dass Prüfnormen für Schutzhelme sich mehr auf den Schutz vor SHT und Schädelfrakturen konzentrieren sollten.
Nach Angaben der britischen Arbeitsschutzorganisation (Health and Safety Executive, HSE) ist die Wahrscheinlichkeit des Erleidens einer Gehirnerschütterung bei Bauarbeiten höher als bei allen anderen Arbeiten. Gehirnerschütterungen sind ein kostspieliges Problem für die Baubranche: Die HSE schätzt, dass die Kosten für arbeitsbedingte Gehirnerschütterungen in der Baubranche jährlich 34 Millionen britische Pfund betragen. Dazu zählen die Kosten für die medizinische Versorgung, für Produktivitätsverluste und für die Entschädigung von Arbeitnehmern, die aufgrund ihrer Verletzungen arbeitsunfähig sind. (6, 7)
Die Kosten von Gehirnerschütterungen äußern sich nicht nur finanziell. Gehirnerschütterungen können Langzeitprobleme verursachen, wie Gedächtnisverlust, Konzentrationsschwierigkeiten und Depressionen. Diese Probleme können das Leben derer, die darunter leiden, erheblich beeinträchtigen.
Statistiken über Arbeitsunfälle in der Baubranche und arbeitsbedingte Schädel-Hirn-Traumata
Arbeitsunfälle in der Baubranche können aus vielerlei Gründen auftreten, einige kommen jedoch häufiger vor als andere. Jährlich werden in Deutschland rund 60.000 Arbeitsunfälle mit Kopfverletzungen gemeldet. Von diesen Unfällen führen 1,5 von 1.000 aufgrund der Schwere der erlittenen Verletzung zum Tod. (8)
In einer Studie von Brolin et al. aus dem Jahr 2021 mit dem Titel „Work-related traumatic brain injury in the construction industry in Sweden and Germany“ (5), ist zu lesen: „In der deutschen Baubranche wurden schätzungsweise 49.881 arbeitsbedingte Kopfverletzungen von 2014 bis 2018 gemeldet, von denen 10.800 (22%) arbeitsbedingte SHT waren. 254 gemeldete Kopfverletzungen verliefen tödlich, davon waren 155 (61%) arbeitsbedingte SHT. Im gleichen Zeitraum wurden 1.362 neu beantragte Verletztenrenten gewährt, davon standen 545 (40%) in Bezug zu arbeitsbedingten SHT.
Die Daten zeigen, dass jährlich etwa 2.200 arbeitsbedingte SHT in Deutschland und 45 in Schweden auftreten. In Schweden führten 11% aller arbeitsbedingten Kopfverletzungen zu arbeitsbedingten SHT, während in Deutschland 22–61% aller arbeitsbedingten Kopfverletzungen zu arbeitsbedingten SHT führten, wobei ein höherer Anteil an schwerwiegenden Fällen vorlag. Zwar war die Häufigkeit von arbeitsbedingten SHT in Schweden geringer als in Deutschland, aber die zu Verletzungen führenden Ereignisse wiesen viele ähnliche Trends auf: In beiden Ländern waren Stürze aus der Höhe das häufigste Ereignis, das zu schwerwiegenden arbeitsbedingten SHT führte. Das unterstreicht die Bedeutung der Sturzprävention in der Baubranche, um Risiken im Zusammenhang mit Höhenarbeiten zu überwachen und zu steuern (d. h. Risikoanalyse, Schulung und organisatorische Aspekte), sowie die Bedeutung der Verwendung von Schutzausrüstung, um Stürze zu verhindern (z. B. Kletterbühnen, Stützgerüste, und Schutzgeländer) und um die Folgen von Verletzungen im Fall eines Sturzes zu mindern (z. B. persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz und Schutzhelme).“ (5)
Ein Blick in die statistischen Daten weltweit unterstreicht die Tragweite des Problems:
Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) kommt es jährlich auf Baustellen auf der ganzen Welt zu mindestens 60.000 tödlichen Unfällen. Das entspricht einem tödlichen Unfall alle zehn Minuten. Jeder sechste tödliche Unfall geschieht auf einer Baustelle, was sie zu einem der gefährlichsten Arbeitsorte macht. (9)
Kopfverletzungen sind besonders alarmierend, da sie für die meisten tödlichen Verletzungen am Arbeitsplatz verantwortlich sind. Sie entstehen häufig durch Abstürze, durch herabfallende Gegenstände oder durch Unfälle mit schweren Maschinen.
Warum Schutzhelme und eine geeignete PSA so wichtig sind
Angesichts der erkannten Risiken liegt die Pflicht gemeinsam bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern, der Sicherheit für den Kopf und einer geeigneten PSA Priorität einzuräumen. Klassische Schutzhelme werden im Hinblick auf einen geradlinigen Aufprall entwickelt und getestet. Allerdings haben Studien belegt, dass das Gehirn empfindlicher auf Rotationsbewegungen (schräger Aufprall) als auf lineare Bewegungen (gerader Aufprall) reagiert. (10) Rotationsbewegungen können gefährlich sein und Schädel-Hirn-Traumata (SHT) zur Folge haben. Bei Rotationsbewegungen können selbst als leicht wahrgenommene Stöße aufgrund der Empfindlichkeit des Gehirns zu einer Gehirnerschütterung führen.
Keiner der aktuellen Tests der heutigen Schutzhelmnormen berücksichtigt die Auswirkungen einer Rotationsbewegung auf den Kopf des Trägers. Derzeit werden Industrieschutzhelme im Rahmen der Norm EN 397 nicht auf Rotation getestet. Träger und Trägerinnen von Schutzhelmen sollten sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die Norm nur die Mindestanforderung darstellt.
Um effektive Schutzmaßnahmen zu entwickeln, ist es entscheidend, die Eigenheiten eines schrägen Aufpralls und von Rotationsverletzungen zu verstehen. Das unterstreicht, wie wichtig der Schutz vor direkten Stößen ist. Außerdem muss sichergestellt werden, dass Helme und weitere Schutzausrüstung in der Lage sind, die Auswirkungen von Rotationsbewegungen zu mindern. Wir sollten bei der Arbeit in gefährlichen Bereichen, in denen das Risiko einer Kopfverletzung besteht, mit Helmen für ein angemessenes Sicherheitsniveau sorgen.
Mit einem proaktiven Ansatz im Bereich der Sicherheit (z. B. durch Verwendung eines technisch aktuellen Helms) können Häufigkeit und Schwere von Unfällen, insbesondere Kopfverletzungen, reduziert werden. Für Baustellenarbeitende ist ein Schutzhelm mehr als nur ein Teil ihrer Arbeitskleidung. Er steht sinnbildlich für das Engagement der Branche, für das Wohlbefinden ihrer Arbeitenden zu sorgen, und für das Versprechen, dass sie am Ende eines harten Arbeitstages sicher zu ihrer Familie nach Hause zurückkehren können.
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Verweise:
(1) The neuropathology of traumatic brain injury https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4694720/
(2) Translational Research in Traumatic Brain Injury – https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK326730/
(3) American Medical Society for Sports Medicine position statement: concussion in sport https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23243113/
(4) Concussion – https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK537017/
(5) Work-related traumatic brain injury in the construction industry in Sweden and Germany – Karin Brolin, Daniel Lanner, Peter Halldin – ScienceDirect https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0925753520305439
(6) concussion-in-the-workplace-factsheet.pdf (headway.org.uk) (headway.org.uk)
(7) Health and safety in construction (HSG150) (hse.gov.uk) Statistics – Index of tables
(8) https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3893
(9) https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—dgreports/–dcomm/documents/publication/wcms_067574.pdf
(10) On the subject of brain sensitivity Kleiven 2003, Kleiven 2007 and https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4090913/
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